www.antipsychiatry.org

Befreiung der Psychiatrie-Patienten: Warum?  Wie?



(Übers.: Heinz Kaiser)

Adresse des englischen Originaltexts:
http://www.antipsychiatry.org/mplib.htm



Innerhalb der Klinik sind Psychiatrie-Patienten eine erkennbare Gruppe mit erkennbarer Identität: der von Opfern in einer lebendigen Hölle.   Daß wir unsere Brüder und Schwestern da drinnen befreien müssen, bedarf keiner Erklärung.

Als langfristiges Ziel bedeutet die Befreiung der Psychiatrie-Patienten die Beendigung jeder Gefangennahme von gesetzestreuen Leuten, und damit die 7 Wiederherstellung eines der grundlegendsten und wichtigsten Versprechen, die Amerika uns gegeben hat.   Aber die Kliniktüren sind immer noch abgeschlossen und Du bist immer noch drin.   In den Sitzungen unserer Consciousness-Raising Group haben wir diskutiert, wie wir reingekommen sind, und wie wieder raus, und wir haben erkannt, daß alle von uns dadurch rausgekommen sind, daß wir gelernt haben, den Ärzten zu erzählen, was sie hören wollten.   Wir nennen es "lernen, unehrlich zu sein."  Wir entdeckten beim Vergleichen unserer Erfahrungen, wenn wir (in der Klinik) lautstark verkündeten, daß wir nicht krank sind und daß die Ärzte uns in Ruhe lassen sollen, daß wir dann als Belohnung mit erzwungenen Injektionen von Thorazin und Ausflügen in die Isolationszelle rechnen konnten, aber indem wir lernten, in bescheidenem Ton zu sagen: "Ich war krank, aber mit der Hilfe meines Arztes geht es mir besser " ging unsere Inhaftierung dem Ende entgegen.  Du wirst die Befriedigung haben, zu wissen, was die Wahrheit ist und was Heuchelei, und indem Du das weißt auch wenn sie Deinen Körper eingesperrt haben, Deinen Geist können Sie nicht einsperren .

Die Probleme der Ex-Patienten sind subtiler, aber nicht weniger bedrängend.   Viele Ex-Patienten versuchen, damit fertigzuwerden, was ihnen passiert ist, indem sie so tun, als hätte das Erlebte nie stattgefunden.   Trotzdem, weil die Erfahrung, einmal ein Psychiatrie-Patient gewesen zu sein, Dich lehrt, Dich selbst als nicht vollwertigen Menschen zu sehen, ist das keine befriedigende Lösung.  Leute haben Gefühle.  Sie sind aus gutem Grund glücklich oder traurig, ärgerlich, ruhig, aufgedreht und so fort.  Als Patienten wurde uns dagegen gelehrt, uns als dauerhaft verkrüppelt zu sehen, und wir neigten dazu, unsere normalen Hochs und Tiefs als Bestätigung unserer geheimnisvollen Deformierung anzusehen.   Zusätzlich verhängt die Gesellschaft Strafen über Ex-Patienten, die Dich betreffen, ob Du zu Deiner Identität stehst oder nicht.   Für den Rest Deines Lebens wirst Du lügen, bei Bewerbungen um einen Job, Schulen und Führerscheine, und davor Angst haben, daß es rauskommt.  Deine Freunde und Bekannten werden in zwei Gruppen geteilt sein: die, die es wissen und die, die nicht, und Du wirst immer auf der Hut sein müssen, was Du den Letzteren erzählst.

Ex-Patienten sind voller Wut, was ihnen angetan wurde, aber allein und unorganisiert wird diese Wut nicht ausgedrückt, stattdessen wird sie oft verinnerlicht und gegen sich selbst gerichtet.  Unsere Wut ist der Treibstoff unserer Bewegung, und wenn wir zusammenkommen, uns und anderen unsere Identität eingestehen, werden wir den ersten und größten Schritt gemacht haben, unsere Unterdrücker zurückzuschlagen.

("Mental Patients' Liberation: Why?  How?" wurde ursprünglich in den frühen 1970er Jahren verbreitet von Mental Patients'  Resistance of Brooklyn, New York.)



2 der Mai 1998, Freedom Square, Washington, D.C.


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